Chancen schenken macht Freude
"Hast du die Quatsch-Bananen im Supermarkt gefunden?" fragt Kalaivani Mattern ihr Patenkind bei ihrem wöchentlichen Online-Telefonat. Als Antwort bekommt sie ein breites Grinsen geschenkt. Mattern, die von ihrem Patenkind nur "Vani" genannt wird, ist ehrenamtlich bei der Kinderstiftung Esslingen-Nürtingen tätig. Sie ist eine von insgesamt 30 ChancenschenkerInnen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, benachteiligte Kinder individuell zu unterstützen. "Als ich von dem Projekt gehört habe, musste ich einfach mitmachen. Aktiv werden und etwas verändern, das steckt einfach in mir," erklärt sie. Lachend ergänzt sie: "Das muss ich auch für mich tun."
Seit eineinhalb Jahren hilft Kalaivani Mattern ihren Patenkindern bei schulischen Aufgaben, vor allem auch mit der deutschen Sprache. Sensibilität und Offenheit für andere Kulturen sind für Mattern persönliches Anliegen und professionelle Notwendigkeit. Als Trainerin und Coach für Interkulturelle Kommunikation weiß sie genau, welche Rolle kulturelle Prägungen spielen und wie sehr sie unser Tun bestimmen. Ein Beispiel: In vielen Kulturen ist es ein Ausdruck von Schwäche Fehler zu machen. Mattern erläutert: "Ich musste den älteren Geschwistern meines Patenkindes erst erklären, dass sie ihrem kleinen Bruder nicht die richtigen Worte einflüstern sollen. Dass er nur lernt, wenn er Fehler machen darf, war für sie einfach nicht selbstverständlich."
Fast genauso wichtig ist auch die Wärme mit der Mattern ihr Patenkind empfängt. Ob sie mit der Frage nach Quatsch-Bananen die Stimmung auflockert oder geduldig wartet, wenn ihr Patenkind einmal weniger Lust zum Reden oder Üben hat, sie bleibt gutgelaunt. "Natürlich albern wir auch mal herum. Das gehört dazu," sagt Mattern und strahlt dabei.
Kalaivani Mattern hat auch deswegen ein so differenziertes Verständnis für ihr Patenkind, weil sie selbst nicht mit der deutschen Kultur aufgewachsen ist. "Wenn meinem Patenkind bei unseren Gesprächen und Übungen die Sprache mal besonders schwerfällt, sage ich oft: Schau, ich mache doch auch noch immer Fehler. Wenn du welche machst, ist das überhaupt nicht schlimm". Die Kinder entspannt das und sie trauen sich dann mehr zu, erzählt Mattern weiter. Sie weiß, Sprache ist ein wichtiges Werkzeug. Denn Sprache bedeutet Kommunikation und Kommunikation bedeutet dazuzugehören. "Viele Kinder, die nicht richtig Deutsch sprechen, finden keinen Anschluss bei ihren Klassenkameraden", erklärt sie. Das ist ein großes Problem, denn so beginnt schon im Kindesalter eine Art Separation. Mattern verdeutlicht das an einem einfachen Beispiel: "Wie soll ein Kind ein Spiel mitspielen, wenn es die Regeln einfach nicht versteht?"
Ähnlich verhält es sich auch mit den Eltern. Das Problem, so Mattern, liege vor allem darin, dass viele, die nicht in Deutschland aufgewachsen sind, den Weg zu Förderangeboten nicht kennen. "Einmal habe ich einer Mutter erklärt, dass es Bibliotheken gibt, in denen man sehr unkompliziert für Kinder und auch für Erwachsene Sprach-Lern-Bücher oder Audioangebote ausleihen kann," erläutert Mattern. Sie ergänzt: "Sie war begeistert. Aber ich musste ihr eben auch mit den Formularen helfen. Sonst hätte sie das Angebot nicht genutzt."
Mattern ist nicht nur in ihrem Arbeitsleben Mittlerin zwischen Kulturen, sondern auch im Umgang mit ihrem Patenkind. Eine wichtige deutsche Tradition hat sie ihrem Patenkind bereits nähergebracht: Das Plätzchen backen. Alles online: Sie beim Plätzchen-Ausstechen, ihr Patenkind mit großen Augen vor dem Bildschirm. "Einfach weil Essen verbindet. Kultur geht eben auch durch den Magen" erklärt sie lachend.
Deutlich wird, dass sie mehr für ihr Patenkind ist als diejenige, mit der man Hausaufgaben macht. Über Wochen und Monate hat sich eine Freundschaft aufgebaut. Manchmal wird ein offenes Ohr gebraucht, manchmal ist es die Abwechslung zum Alltag und manchmal bespricht man ganz emotionale Dinge. "Natürlich bedeutet das Verantwortung. Aber mein Patenkind freut sich jedes Mal, wenn wir sprechen und das ist einfach unglaublich bereichernd." Außerdem sind es auch die Caritas-Treffen und -Veranstaltungen, die für sie ein wichtiger Bestandteil in ihrem täglichen Leben geworden sind: "Ich lerne hier viel dazu und durfte unglaubliche Menschen kennenlernen. Natürlich, ich gebe, aber ich bekomme noch so viel mehr zurück."
Etwas zurückgeben, das tun vor allem ihre Patenkinder. Mit kleinen Gesten, aber auch mit großen. Mattern erzählt, dass eines ihrer ehemaligen Patenkinder unbedingt Zeichnen lernen wollte. Davon war das Mädchen schon immer fasziniert. Eines Tages, als die Patenschaft schon nicht mehr bestand, hatte Mattern einen Brief im Briefkasten. Adressiert war er nur an "Vani", darunter die Adresse. Trotzdem kam er an. Im Innern des Briefes: Ein ganzer Stapel selbstgemalter Bilder. "Da ist mir einfach nur das Herz aufgegangen. Natürlich haben die Bilder einen Ehrenplatz bekommen. Und immer, wenn ich sie anschaue, weiß ich, dass ich genau das Richtige tue."
Die Kinderstiftung Esslingen Nürtingen sucht aktuell nach weiteren Ehrenamtlichen. Wer ChancenschenkerIn werden möchte, kann sich bei der Projektkoordinatorin Inga Birkner melden.
Mail: birkner.i@caritas-fils-neckar-alb.de