Privates Engagement schenkt Chancen
Interview mit Anja Böhmer
7.März 2024, Plochingen
Vor zwölf Jahren ereignete sich etwas, das den Anstoß für die regelmäßigen eigenorganisierten Benefizveranstaltungen gab: Der damals 14-jährige Fabian, Sohn einer befreundeten Familie, erlitt einen schweren Unfall. "Das hat uns alle so getroffen", erzählt Böhmer, so dass sie beschloss Fabian und seine Familie zu unterstützen. Die Idee für ihr jährliches Benefizfest baute auf den Erfahrungen ihres Engagements in einem Aktivclub auf, in dem sie sich seit rund 30 Jahren mit Freunden für soziale Zwecke einsetzte. Aus einem anfänglichen "Chillen und Grillen" mit Spenden-Kässle für Fabians Delphin-Therapie entwickelte sich mit der Zeit ein beliebtes Event im Vorgarten der Böhmers. Bis zu 250 Menschen aus der Nachbarschaft und darüber hinaus folgten seitdem alle 2 Jahre im November der Einladung der gebürtigen Hamburgerin, die vor 40 Jahren der Arbeit und Liebe wegen in den Süden zog.
Dank ihres umfangreichen Netzwerks aus Freunden, Bekannten und Kunden - denn Anja Böhmer ist medizinische Fußpflegerin und Massagetherapeutin mit einem eigenen Geschäft - konnte ein beeindruckendes Unterstützungsnetzwerk aufgebaut werden, das zum Erfolg des Festes beiträgt. Jeder sei bereit zu helfen. Jedes Jahr kamen neue Highlights dazu. Zum Beispiel die Tombola bei der großzügige Spenden von Unternehmen wie z.B. Coca Cola und Privatpersonen Preise für die Gäste bereitstellen. Das sind ganz liebevoll verpackte selbstgebastelte, selbstgenähte Sachen. Oder selbsthergestellte Marmelade oder Eierlikör. "Es gab beim letzten Mal 300 Gewinne und keine Nieten", schmunzelt Frau Böhmer. Und alle helfen so toll mit. Wie auch ein befreundeter Schreiner, der jedes Jahr ein Vogelhaus herstellt und für die Veranstaltung spendet. Diese einzigartigen Vogelhäuser konnten bereits für mehrere Hundert Euro erfolgreich versteigert werden. Die Metzgerei spendet die Würste, ein Nachbar hat eine Kessler Sekt Spende organisiert. Die 2 großen Grills konnten bei der Firma Bosch ausgeliehen werden. Die Reichenbacher Feuerwehr hat einen Kühlschrank, Tische, Stühle gebracht. "Das ist inzwischen alles zu einem Selbstläufer geworden", so Böhmer.
"Irgendwann wurde es dann mehr an Spendengeld und dann hatten wir die Idee, dass wir uns immer eine soziale Einrichtung suchen, die wir noch mit dazu unterstützen wollen". Das Fest ist somit nicht nur ein Ort des Zusammenkommens und Feierns, sondern auch eine gute Gelegenheit Solidarität und Bewusstsein für soziale Probleme zu schaffen. "Vielen ist es gar nicht geläufig, dass es auch hier bei uns in Plochingen und Umgebung Kinder gibt, die in Armut leben". schildert Böhmer ihre Erfahrungen aus den Gesprächen mit den Besuchern.
Es freut sie, dass sich inzwischen auch immer mehr Menschen entscheiden anstelle von traditionellen Geschenken für Hochzeiten oder Geburtstage Geld für soziale Zwecke zu sammeln. So erhielt die Kinderstiftung Esslingen- Nürtingen zu den 1000,-€ von Frau Böhmers Benefizveranstaltung weitere 1000,-€ von einer Freundin dazu, die sich entschied, auf Hochzeitsgeschenke zu verzichten und stattdessen für Kinder, die in Armut aufwachsen müssen zu spenden.
Auf die Kinderstiftung aufmerksam geworden sei Böhmer über einen Zeitungsbericht. Daraufhin begann sie zu recherchieren. Ihr war es wichtig, eine lokale Einrichtung zu unterstützen, und es sollte keine Spende an eine städtische Behörde sein. Sie wollte sicherstellen, dass ihre Spende wirklich etwas bewegt. Das Thema "Chancen schenken" sprach sie besonders an, da es gut zu Fabians Geschichte passte.
"Dann habe ich Kontakt aufgenommen und dann wurde es wirklich auch sehr konkret und sehr nett. Und ich fand alle dann auch sehr engagiert und sehr aufmerksam. Es war nicht so das Gefühl, naja jetzt kriegt man halt ne Spende und gut ist. Nein, da hab ich gedacht das wird hier richtig Ernst genommen und die freuen sich sehr drüber".
Besonders beeindruckend empfand Böhmer die Rede von Frau Rütten, der Fachleitung Solidarität bei der Caritas in Esslingen, die stellvertretend für die Geschäftsführung der Kinderstiftung an der Benefiz-Veranstaltung teilnahm. Sie schaffte es, die Besucher*innen zu begeistern und mitzureißen. Böhmer wurde auch nach dem Fest noch häufig darauf angesprochen, dass vielen nicht bewusst war, wie verbreitet Armut in unmittelbarer Umgebung ist. Einige hätten selbst noch recherchiert und sich weiter informiert, was sie großartig findet. Auch Ihre 30jährige Tochter hat eigene Engagement-Ideen entwickelt, was sie stolz macht und zeigt, dass ihr Bemühen Früchte trägt.
"Ich glaube man muss sich nur trauen da ran zu gehen und es zu tun" ermutigt Böhmer alle, die eine ähnliche Spendenveranstaltung planen möchten.